Zuständigkeiten LP /SLP

Bei uns wurde neu eine Speziallehrkraft angestellt, die zuständig sein soll für einen ADHS-Jungen und einen Jungen mit auditiven Wahrnehmungsproblemen sowie einem ziemlich geringen IQ, Eltern wollen aber keine riLZ. Wir sind alle noch dabei, herauszufinden, wie beide Jungs wann und wie und wo gefördert, bzw. unterstützt werden können. Manches ist noch nicht klar, z.B. wann genau die Speziallehrkraft da ist, für wen zuständig, wo arbeiten - wie, etc. Manches wird wohl auch nicht immer klar sein, wir werden uns den aktuellen Befinden und dem Tagesgeschehen laufend anpassen etc. Ach ja, es sind beides Drittklässler. Meine Frage aber nun:
Wofür bin ich zuständig, wofür ist die Speziallehrerin zuständig?
Ich habe nun seit Anfang dieses Schuljahres, also schon fast ein ganzes Schuljahr die beiden Jungs in Französisch und BG, ich bin also nicht die Klassenlehrperson (diese ist momentan in einem Sabbatical). Ich bin mit beiden Jungs mehr oder weniger zurecht gekommen, der eine ist sicher oftmals unter die Räder geraten, hat aber zuhause eine sehr fleissige Mutter und immer viel nachgearbeitet (manchmal tat er mir auch leid). Der andere hat halt oft den Kaspar gegeben, ich mag ihn eigentlich gut, aber oft habe ich ihn auch rausgeschickt oder in den Gruppenraum zu Lesen, wenn es schlicht zu viel wurde an Unruhe in der Klasse. Item, als uns angekündigt wurde, wir erhielten dann eine Speziallehrkraft für beide Jungs, war ich natürlich froh. Nun ist sie da, aber irgendwie belastet es mich grade noch etwas mehr als wenn sie nicht da wäre. Natürlich spreche ich mich mit ihr ab, teile ihr möglichst im Voraus mein generelles Programm mit, gebe Hinweise und Vorschläge, was ich für welchen Jungen sähe, etc. Letztens aber ergab sich eine Diskussion darüber, wer für was zuständig sei. Dies nach einer Französischlektion, als der ADHS-Junge mit dem Medizinball herumsprang und ihr davon lief - da er aber die anderen nicht gestört hatte, resp. die anderen Kindern plus ou moin ruhig weiter gearbeitet haben, liess ich ihn gewähren, auch weil sie, die Speziallehrperson, ja im Raum war; ich wollte ihr nicht ins Gehege kommen, ich dachte, das ist jetzt ihr Ding, ihn ggf. aus dem Setting nehmen etc. Als es dann doch zu laut wurde, sagte ich ihm, jetzt bist du ruhig, oder wenn du nicht ruhig sein kannst, dann störe wenigstens nicht die Anderen.
Diesen Satz warf mir die Spez.lk danach vor, ich hätte ihm quasi den Freipass gegeben, zu tun, was er wolle. Dabei hielt ich mich zurück, weil sie ja da war.
Da jagte es mir „den Nuggi raus“, ich sagte, du bist ja jetzt da für ihn, ich bin in erster Linie für die gesamte Klasse zuständig, worauf sie erwiderte, ja aber du bist die Hauptlehrperson, er gehört auch zur Klasse - womit sie ja Recht hatte.
Vielleicht war ich zu salopp…aber trotzdem bin ich eigentlich der Meinung, ich als „normal ausgebildete“ Primlehrerin bin zuerst mal für die „normal arbeitenden“ Kinder da…wie soll ich das sagen…wer kann mir hier mal klar aufzeigen, welches die Zuständigkeiten einer Primlehrkraft sind, welches die Zuständigkeiten einer Heilpäd, oder sonstwie Speziallehrkraft? Einigermassen klar jedenfalls…danke.

Liebe Helena

Ich arbeite seit über zehn Jahren als Heilpädagogin, aber erst seit drei Jahren integrativ in einer Regelschule. Selbst nach drei Jahren bin auch ich immer noch dabei Antworten zu deiner Frage - wer ist wofür zuständig? zu finden.

Du beschreibst am Anfang, dass noch Vieles unklar ist und die Art der Zusammenarbeit auch laufend angepasst werden muss. Genau so sehe ich das. Eine hilfreiche Zusammenarbeit zwischen Regellehrkraft und HeilpädagogIn braucht meiner Meinung nach insbesondere am Anfang sehr viel Gesprächszeit um die gegenseitigen Erwartungen zu klären und Zuständigkeiten festzulegen. Und selbst bei einem eingespielten Team ändern sich die Anforderungen immer wieder, so dass Anpassungen nötig sind.

Ich persönlich lasse mich nicht gerne ausschliesslich auf eine Schäferhundrolle (Zitat eines Berufskollegen: bellen, wenn der schwierige Schüler auffällig wird) begrenzen. Aber es ist meine Aufgabe, das zu kommunizieren und im gemeinsamen Gespräch zu überlegen, welche Zuständigkeiten bei mir liegen, damit die Regellehrperson tatsächlich Entlastung erfährt und möglichst alle Schüler einen Mehrwert aus dem 4-Augen-Prinzip erhalten.

Der Einstieg ist bestimmt nie ein Zuckerschleck und auch wenn eure Auseinandersetzung für beide vermutlich unangenehm war, hoffe ich sehr, dass sie der Ausgangspunkt ist, eure gegenseitigen Erwartungen zu klären. Eines habe ich nach drei Jahren nämlich ebenfalls mehrmals erlebt: In Teams wo Hand in Hand gearbeitet wird, dort ist es eine Bereicherung für SchülerInnen, Regellehrpersonen und für mich als Heilpädagogin.

Vielen Dank für deine Antwort.
„Schäferhundrolle“ klingt etwas hart und lässt auch unangenehme Assoziationen zu leider (denn eigentlich mag ich Hunde) - aber ich habe ja auch das Wort „Gehege“ benutzt. Das Ding ist halt auch, dass die Heilpädagoginnen auch immer anders arbeiten, dann ist man sich von der einen diese Art von Arbeit gewohnt (eben vielleicht eher die „Schäferhundrolle“), während die andere von selber aktiv eingreift oder Kinder zu sich nimmt zum Arbeiten, wieder eine andere bleibt „nur“ beobachtend…ich merke einfach, dass ich schon Mühe habe, wenn ich nun meine Arbeit einem Kind anpassen soll. Wenn eine „neue“ Person zum ersten Mal in den Unterricht kommt, ist es doch auch von seiten der unterrichtenden Lehrperson ein Abtasten und Abwarten und Beschnuppern, um bei der Tiermetapher zu bleiben. Mit „einem Kind anpassen“ wird gemeint, dass ich Anpassungen in meinem Unterricht vornehmen soll, wegen diesem einen Jungen. Mit ihm ist es nie gleich, mal so, mal so, und ich bin dauernd am Anpassen und Adaptieren, möglichst so, dass die anderen Kinder weiter arbeiten können.
Warum kann man jemand nicht, der manchmal so offensichtlich stört, einfach aus dem Raum nehmen, um mit ihm alleine zu arbeiten? Es würde mich zuweilen mega entlasten. Warum darf ich das nicht einfach verlangen? Manchmal mag ich auch nicht immer „um den heissen Brei“ herum reden. Es heisst, besagter Junge reagiere auf Separation sehr verletzlich. Ja, das ist ja einzusehen, aber ich kann zuweilen mit ihm im Raum nicht mehr unterrichten…

Liebe Helena

Tatsächlich sind wir HeilpädagogInnen alles andere als ein homogenes Volk und ich kenne die von dir beschrieben Herausforderung, dass jede/r anderes arbeitet, sehr gut - einfach von der anderen Seite. Denn auch Regellehrkräfte sind ein bunt gemischtes Grüppchen, haben unterschiedliche Ressourcen, setzen andere Schwerpunkte und stehen der Integration mehr oder weniger offen gegenüber.

Gerade deshalb plädiere ich für das Klären der gegenseitigen Erwartungen und tatsächlich bestärke ich dich darin „nicht um den heissen Brei“ herumzureden. Ich finde deinen Wunsch, den ganz offensichtlich sehr kräfteraubenden Unterricht mal etwas zu entspannen, sehr legitim. Eine dem Schüler klar kommunizierte, zeitlich vorübergehende Separation würde wohl nicht nur dich entlasten, sondern vermutlich auch dem Rest der Klasse gut tun. Trotzdem ist es meiner Meinung nach wichtig, dass dieses Setting nicht zur Dauerlösung wird, sondern dass ihr (du und die Speziallehrkraft, evt. sogar mit den Eltern des Jungen) im Austausch Wege findet, wie ihr eure Personalressourcen optimal dazu einsetzen könnt, dass der besagte Junge Teil der Klasse sein kann. Zu diesem Ziel gehört meiner Meinung nach auch, dass die Klasse in einer angemessenen Atmosphäre lernen kann und der Kräftehaushalt der Lehrperson (also deine Energietanks) nicht übermässig strapaziert werden.

Ich hoffe ihr bleibt gemeinsam am Ball und wünsche euch dabei immer wieder Erfolgsmomente.

Liebe Helena
Deine Schilderungen eröffnen mir einen sehr lebendigen Einblick in Szenen Deines Unterrichts. Mit der Zusammenarbeit zwischen einer Lehrkraft der Regelschule und einer schulischen Heilpädagogin, ich nehme an, das ist die von Dir erwähnte Speziallehrkraft, sprichst du ein Thema an, das Du im Forum ja bereits zuvor eingebracht hast.

Du wünscht Dir eine ganz klare Antwort auf die Frage, wer für was zuständig ist. So gut ich Dein Bedürfnis verstehen kann, so wenig kann ich Dir Deinen Wunsch erfüllen. Im Sinne der Gedanken, die schon teamplayer formuliert hat, kann auch ich nur betonen, wie zentral es ist, diesbezüglich Absprachen zu treffen und auf diese Weise Klarheit zu schaffen. Eure wechselseitigen Erwartungen und Bedürfnisse in einer ruhigen Minute anzusprechen ist der Weg zum Ziel.

Neben der Klärung Eurer Rollen und Funktionen erscheint mir in Eurem Fall aber auch sehr wichtig, dass ihr Euch über die Hintergründe des Verhaltens des beschriebenen Schülers austauscht. Was kann präventiv getan werden, wie sehen sinnvolle situative Massnahmen aus, um den Lernenden zu stabilisieren? Egal, wer dann in einer Unterrichtssequenz eingreift, solltet ihr Euch in Bezug auf das Vorgehen einig sein.

Ich wünsche Euch eine erfolgreiche Klärung Eurer Unstimmigkeiten und würde gerne noch darauf hinweisen, dass Ihr Euch, bei Bedarf, bei der Heilpädagogischen Fachberatung Pool 2 (HFP2) der PHBern Unterstützung holen könntet.
www.phbern.ch/studiengaenge/sh/kontakt-und-beratung/heilpaedagogische-fachberatung/hfp20.html